Nélson Pereira Pinto

Privat

Lissabon vom Castelo de São Jorge

"Der Forschungsaufenthalt in Portugal, der mir durch das Gustav Schübeck Stipendium der DAAD-Stiftung ermöglicht wurde, ist für mich etwas ganz Besonderes gewesen, weil ich dadurch die Chance bekommen habe, meine fachlichen Kenntnisse zu erweitern und wichtige Ziele für mein Forschungsprojekt zu erreichen."

Nélson Pereira Pinto promoviert in dem Fach Iberische und Lateinamerikanische Geschichte an der Universität zu Köln. Seine Dissertation handelt von den informellen bzw. verdeckten politischen Beziehungen zwischen Portugal und der Bundesrepublik Deutschland in den 1960er und 1970er Jahren. Das Gustav Schübeck Stipendium ermöglichte ihm u. a. in Lissabon in verschiedenen Archiven und Bibliotheken zu seinem Thema zu forschen und Interviews mit Zeitzeugen zu führen.

In diesem Bericht erzählt er ausführlich von seinen verschiedenen Erfahrungen und Eindrücken vor Ort:

Mit Blick auf mein Dissertationsthema „Verdeckter Demokratieaufbau. Bundesdeutsche Einflussnahme auf die politische Entwicklung in Portugal (1960er und 1970er Jahre)“ war es mir von Anfang an wichtig, mich nicht nur auf historische Quellen zu beziehen, die in den deutschen Archiven zu finden sind. Da sich mein Projekt auf die politische Beziehungsgeschichte zwischen der Bundesrepublik und Portugal in den 1960er und 1970er konzentriert, war es grundlegend, auch Dokumente aus verschiedenen Archiven in Portugal zu untersuchen, welche die Quellenbasis für mein Projekt bereichern. Somit wurde es für mich zu einem besonderen Bedürfnis, einen längeren Forschungsaufenthalt in Portugal vorzubereiten, was dazu führte, dass ich mich beim Deutschen Akademischen Austauschdienst um einen Aufenthalt in Portugal bewarb, der vom 1. Juni bis zum 30. September 2022 dauern sollte.

Organisatorisches

Da ich bereits vom 28. Februar bis zum 21. März 2022 mit der finanziellen Unterstützung einer anderen Stiftung für einen Kurzaufenthalt nach Portugal ging, konnte ich mich schon vor dem Beginn des DAAD-Stiftung-Aufenthalts in Portugal mit den Archiven in Lissabon vertraut machen. Dies erwies sich für mich als besonders nachhaltig, zumal dies mir dabei half, besser einzuschätzen, welche Quellen für meine Forschung relevant waren, welche nicht, und wozu ich noch weiter recherchieren sollte. So konnte ich vor meinem DAAD-Stiftung-Aufenthalt in Portugal Arbeitspläne entwerfen, die meine Arbeitszeiten vor Ort regulierten. Da ich wusste, in welchen Archiven und Bibliotheken ich noch weiter zu forschen hatte, konnte ich in der Zeit des Gustav Schübeck Stipendiums von Anfang Juni 2022 bis Ende September zielorientiert arbeiten.

Persönliche Eindrücke zum DAAD-Stiftung-Aufenthalt in Portugal

Für die vier Monate in Portugal habe ich mir mehrere kleine Ziele gesetzt, die dazu beitrugen, mein Quellenmaterial zu ergänzen, Interviews mit Zeitzeugen zu führen und mein Netzwerk aus Kontakten zu anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu erweitern. Obwohl ich trotz meiner Arbeitszeitpläne flexibel war und mir auch Zeit für Freizeitaktivitäten nahm, konnte ich in Portugal sogar deutlich mehr erreichen als ich mir ursprünglich vorgenommen hatte.

Durch die Kontakte, die ich zu anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aufgebaut habe, kam es zu synergetischen Effekten, die mein Dissertationsprojekt zusätzlich vorantrieben. Insbesondere die Kontakte zu Rui Lopes und der Fundação Mário Soares e Maria Barroso erwiesen sich als konstruktiv. Rui Lopes, ein Experte der portugiesisch-bundesdeutschen Beziehungen der 1960er und 1970er Jahre, gab mir nützliche Hinweise, die ich bei der weiteren Forschung in den Archiven berücksichtigen konnte. Besonderes Interesse an meinem Projekt zeigten auch Filipe Guimarães da Silva und Pedro Marques Gomes von der Fundação Mário Soares e Maria Barroso. Pedro Marques Gomes hat mich davon überzeugt, – unabhängig von meiner Dissertation – einen wissenschaftlichen Aufsatz auf Portugiesisch über die portugiesische Migration in die Bundesrepublik zu schreiben.

Außerdem organisierte Filipe Guimarães da Silva ein Treffen mit Fabian Schmiedel (dem Vorsitzenden der Friedrich-Ebert-Stiftung in Lissabon), welches dazu führte, dass ich nach dem DAAD-Stiftung-Aufenthalt in ein Public History-Projekt zum 50. Geburtstag des Partido Socialista (Sozialistische Partei Portugals) eingebunden wurde. Da die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) die Gründung der Sozialistischen Partei Portugals 1973 in Bad Münstereifel grundlegend unterstützte und dieses historische Ereignis im Lichte meines Dissertationsthemas einen Höhepunkt der informellen politischen Beziehungen zwischen politischen Akteuren aus der Bundesrepublik und Portugal darstellt, erwies sich die Einbindung in das Public History-Projekt der FES und der Fundação Mário Soares e Maria Barroso und die sich daraus ergebenen Netzwerke mit Expertinnen und Experten aus der Stiftung als hilfreich.

Arquivo Nacional da Torre do Tombo

Privat

Arquivo Nacional da Torre do Tombo

Erwähnen möchte ich auch die Archivarinnen und Archivare, die immer sehr nett zu mir waren und dafür sorgten, dass ich die Strukturen der Archive und Bibliotheken schnell verstand. Dadurch, dass auch ab und zu ein bisschen Small Talk geführt und über mein Projekt gesprochen wurde, herrschte allgemein ein angenehmes Arbeitsklima. Des Weiteren kam man mir bei meinen Anliegen gerne entgegen. Besonders gut fand ich z. B., dass ich im Arquivo da Defesa Nacional kostenlos drucken konnte (sofern die Zahl der Kopien überschaubar war).

Anders als viele andere Doktorandinnen und Doktoranden ging ich für vier Monate – unabhängig von anderen Universitäten – nach Portugal. Ich hatte also keine offizielle Partneruniversität. Somit war ich – was die gesamte Organisation und Arbeitszeiten anging – selbstständig und auf mich allein gestellt. Da ich kein eigenes Büro hatte, arbeitete ich hauptsächlich in den Archiven und Bibliotheken. Gelegentlich arbeitete ich auch von zu Hause aus. Dadurch, dass Portugiesisch eine meiner Muttersprachen ist und ich u. a. wegen eines Erasmus-Aufenthalts an der Universidade Nova de Lisboa im Wintersemester 2012/2013 mit Lissabon und Umgebung bestens vertraut bin, konnte ich die Arbeit in Portugal ohne Probleme angehen, was sich für mich als einen der wichtigsten Vorteile herauskristallisierte.

Zwar war die Corona-Pandemie immer noch nicht überwunden, der Zugang zu den Archiven und Bibliotheken war jedoch uneingeschränkt, – wodurch ich viel Quellenmaterial sammeln konnte. Während ich in Portugal war, habe ich sogar noch erlebt, wie die Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr abgeschafft wurde. Digitale Anwendungen, wie z. B. Zoom, nutzte ich kaum (nur um z. B. mit meinem Betreuer aus der Universität zu Köln zu sprechen).

Freizeitgestaltung

Obwohl ich mich an meinen Arbeitszeitplänen orientierte und sehr produktiv war, hatte ich genügend Zeit, um sämtliche Freizeitaktivitäten zu unternehmen. Gelegentlich machte ich Sport, nahm an kulturellen Veranstaltungen und Festen – wie z. B. der Festa de Santo António – teil, und ich besuchte hin und wieder auch mal andere Städte, – wie z. B. Porto und die Algarve, um dort Familienangehörige zu besuchen.

Castelo dos Mouros

Privat

Castelo dos Mouros

Lissabon hat sehr viele schöne Viertel und Sehenswürdigkeiten. Hervorzuheben sind beispielsweise Alfama und das Castelo de São Jorge. Empfehlenswert sind ebenfalls die Cristo Rei-Statue und der Elevador Panorâmico da Boca do Vento (in Almada), Belém und Cascais (Orte außerhalb von Lissabon). Ich fuhr außerdem mehrmals nach Sintra um mir dort u. a. die Quinta da Regaleira, das Castelo dos Mouros und den Parque und Palácio de Monserrate anzusehen. Zwar kannte ich die meisten dieser Sehenswürdigkeiten schon, für mich ist es aber trotzdem immer wieder ein besonderes Gefühl, an diesen Ort zurückzukehren.

Fazit

Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, mit dem Gustav Schübeck Stipendium in Lissabon und Umgebung zu forschen. Dadurch, dass ich auch viele andere Aktivitäten unternommen und mir mehr Zeit für das Essen genommen habe, fühlte ich mich in Portugal voller Energie. Zudem war meine Work-Life-Balance durch die präzise Arbeitszeitplanung, die ich schon vor Beginn des Portugal-Aufenthalts gemacht habe, relativ ausgeglichen. Häufig kam es mir während der Arbeitseinheiten sogar vor, als würde die Zeit schneller vergehen.

Ich bin der DAAD-Stiftung sehr dankbar, dass ich durch das Gustav Schübeck Stipendium die Gelegenheit bekam, vier Monate in Portugal zu verbringen. Rückblickend konnte ich u. a. das Quellenmaterial für meine Doktorarbeit ergänzen, wichtige Interviews führen und mein akademisches Netzwerk ausbauen. Durch den DAAD-Stiftung-Aufenthalt in Portugal von Anfang Juni bis Ende September 2022 konnte ich mehrere Ziele erreichen, die sich insgesamt positiv auf mein Dissertationsprojekt ausgewirkt und die damit verbundenen Entwicklungen vorangetrieben haben.

Bald werde ich nochmal nach Portugal zurückkehren, um vor der Abgabe der Dissertation letzte Nachforschungen zu machen. Der nächste Portugal-Aufenthalt ist bereits geplant.

Tipps und Hinweise für alle, die Lissabon und Umgebung entdecken wollen:

• Der Monatspass von Transportes Metropolitanos de Lisboa für 40,00 Euro ist sehr zu empfehlen. Mit diesem Pass kann man alle Transportmittel (Busse, Bahnen, Züge, Schiffe, uvm.) in Lissabon und Umgebung nutzen. Idealerweise sollte man sich schon im Voraus darum kümmern, damit man ihn direkt vor Ort nutzen kann.

• Wenn man viel mit Büchern aus der Bibliothek arbeitet, ist die Karte der Biblioteca Nacional de Portugal zu empfehlen. Es gibt außerdem eine Studierendenkarte, der Universidade de Lisboa, die einem Zugänge zu den Lern- und Arbeitsräumen der Universidade de Lisboa verschafft.

Nationalbibliothek Portugal

Privat

Biblioteca Nacional de Portugal

• Lissabon ist keine Stadt, die für Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer geeignet ist. Dafür gibt es viele unterschiedliche Transportmittel, auf die Verlass ist und die einen gut ans Ziel bringen.

• Portugal ist heute nicht nur eines der beliebtesten Reiseziele für Touristinnen und Touristen aus aller Welt, auch für internationale Investorinnen und Investoren wird das Land immer attraktiver. Zwar werden deswegen vor allem in der Sommersaison temporäre Arbeitsplätze geschaffen, leider führt dies jedoch auch dazu, dass in den letzten Jahren die Miet- und Konsumpreise konstant steigen – worunter insbesondere die einheimische Bevölkerung leidet. Um den teuren Wohnungsangeboten auszuweichen, lohnt es sich, auch nach Angeboten auf der anderen Seite des Tajo Ausschau zu halten. Ich wohnte in Laranjeiro (Alamda) auf der anderen Seite des Tajo und fuhr oft mit dem Zug oder der Fähre nach Lissabon. Mit der Fähre dauerte die Fahrt von Cacilhas (Almada) bis zum Cais do Sodré (Lissabon) weniger als zehn Minuten.

• In Portugal wird gewöhnlich zwischen 12:30 Uhr und 14:00 Uhr zu Mittag gegessen. Es ist wichtig, diesen Zeitraum im Auge zu behalten. Wer nach 14:00 Uhr zu Mittag essen möchte, geht das Risiko ein, in den Kantinen oder Restaurants nichts mehr zu bekommen. In Restaurants zahlt man mittags für Hauptspeise, Getränk und Nachtisch (oder Kaffee) etwa bis zu 10,00 Euro. In den Kantinen bzw. Mensen bezahlt man pro Menü (meistens Hauptspeise, Suppe, Getränk und Espresso) unter 5,00 Euro. Die Mittagessen und Kaffeetreffen sind i. d. R. gute Gelegenheiten, um mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen. Ich konnte mich so beispielsweise mit Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern, Archivarinnen und Archivaren über verschiedene Forschungsprojekte austauschen und interessante Gespräche führen.

 

Unter "orte der demokratie geschichte" findet sich ein Beitrag von Herrn Pereira Pinto zum Partido Socialista (PS).

A.d.R.: Die DAAD-Stiftung dankt Herrn Pereira Pinto für seinen ausführlichen wie lebhaften Bericht und für die spezielle "Tipp-Rubrik".

Stand: Februar 2023.