Irine Kherkheulidze

Privat

Die Europa-Universität Viadrina

„Es ist wichtig, dass wir ein multilaterales Modell zur Theorie der Vergewaltigung entwickeln, das die Verbindung zwischen unterschiedlichen Variablen aus den Rechts-, Soziokultur- und Geschlechterebenen erklärt und in dessen Rahmen nicht nur rechtliche, sondern auch feministische Theorien einbezogen, geprüft und angewendet werden.
Aus wissenschaftlicher Perspektive schätze ich die Großzügigkeit meines Stipendien-Paten und dessen Engagement für die Förderung der Forschung zu Geschlechterfragen sehr.“

Dank des Eurasien Stipendiums eines großzügigen Spenders erforschte Prof. Dr. Irine Kherkheulidze an der Europa-Universität den Einfluss kultureller Wahrnehmungen auf die Rechtspraxis und Gesetzgebung zu sexuellen Straftaten in Georgien und Deutschland.

Nachfolgend berichtet sie von den Ergebnissen ihres Forschungsaufenthalts:

Eine reine Auslegung der Klauseln des Strafgesetzbuchs wird niemals zum Ende der Vergewaltigungen führen, wenn politische Entscheidungsträger, Wissenschaftler, Richter und andere Ansprechpersonen nicht auch die geschlechtsspezifische Natur dieses Verbrechens erkennen und seinen sexistischen Kontext verstehen. Doch keine Strategie kann funktionieren, solange nicht auch die Ungleichheit und die von ihr geschaffene kompromittierende Stimmung als Kernproblem sowohl bei der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs als auch bei der gerichtlichen Urteilsfindung über einen Fall von sexuellem Missbrauch berücksichtigt wird.

Wissenschaftliche Forschung, die durch die Untersuchung und Hinterfragung der rechtlichen und sozialen Ebenen des Problems Frauen vor sexueller Gewalt schützen möchte, leistet einen bedeutenden Beitrag zur Gleichberechtigung der Geschlechter. Die Stipendienzusage der DAAD-Stiftung für diese wichtige Unternehmung bestätigte für mich Deutschlands Einsatz für die Förderung der Gleichberechtigung der Geschlechter und den Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen – Kernziele einer demokratischen europäischen Nation.

Als Wissenschaftlerin, die sich seit über einem Jahrzehnt mit Gefahren für Frauen beschäftigt hat, bietet mir diese Anerkennung zudem eine weitere wertvolle Möglichkeit, die drängende Frage der sexuellen Gewalt zu untersuchen und zu reflektieren. Meine bisherige wissenschaftliche Arbeit befasste sich hauptsächlich mit Themen wie häuslicher Gewalt, Prostitution, Frauenhandel, sexueller Belästigung und Genitalverstümmelung bei Frauen. Diese Studien nahmen stets die Form von vergleichender Forschung an, die sich an internationalen Gesetzesrahmen in Bezug auf das betreffende Thema orientierte.

Kherkheulidze Reading At The Librray Of Difm
Privat

Das umfassende Studium Literatur als Basis für tiefgründige Analysen

Mein zweimonatiger Aufenthalt an Deutschlands führender Bildungseinrichtung hat einen enormen Einfluss auf die Tiefe, Neuartigkeit und praktische Anwendbarkeit meiner Forschung ausgeübt und wurde so zum Eckpfeiler weiterer Fortschritte auf diesem Gebiet.

Während meiner Zeit als Forscherin und Gastwissenschaftlerin an der Europa-Universität Viadrina arbeitete ich eng mit meiner Gastgeberin, der renommierten Expertin für internationale Gesetze und Vizedekanin der juristischen Fakultät Professor Dr. Carmen Thiele, unter deren Anleitung zusammen und festigte so unsere langjährige wissenschaftliche Zusammenarbeit noch weiter.

Während meine vorherige Erfahrung mit dem Abhalten von Lehrveranstaltungen unter dem "Erasmus Plus"-Programm an der Universität Viadrina es mir ermöglichte, mit Studierenden durch Diskussionen im Unterrichtsraum ins Gespräch zu kommen, hat mir mein aktueller Forschungsaufenthalt, der in großzügiger Weise durch die DAAD-Stiftung gefördert wird, die Pforten zur produktiven Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen geöffnet – Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis, darunter deutsche Professorinnen und Professoren für Rechtswissenschaft (auf den Gebieten des Straf- und internationalen Rechts) und Richter.

Kherkheulidze Professors
Privat

Irine Kherkheulidze (rechts) bei einer Veranstaltung

Als ich nach meiner Zeit in Frankfurt (Oder) nach Georgien zurückkehrte, hatte ich wertvolle Kontakte zu meinen deutschen Kolleginnen und Kollegen geknüpft – angesehenen Professoren und Richtern, die ihre Zeit dankenswerterweise der Diskussion der zentralen Themen meines Forschungsschwerpunkts aus einer deutschen Perspektive widmeten. Ich bin ihnen für ihre Einsichten und Zusammenarbeit zutiefst dankbar.

Neben meiner gründlichen Sekundärforschung in der Bibliothek der Europa-Universität Viadrina und meinen Experteninterviews mit einem Professor für Strafrecht an der Universität Viadrina und einem erfahrenen Richter des Landgerichts Frankfurt (Oder) – wesentliche Bestandteile meiner empirischen Forschung – baute ich außerdem enge Arbeitsbeziehungen zu diversen deutschen Forschungs- und Bildungseinrichtungen auf. Dazu gehörten die Staatsbibliothek in Berlin und das Deutsche Institut für Menschenrechte.

Solche Zusammenarbeiten förderten die Qualität und Anwendbarkeit meiner Forschung immens, insbesondere im Kontext der Entwicklung solider Grundsätze, da sie mir Zugang zu einzigartigen und wertvollen Quellen samt Beratung durch die ehrenwerten Mitarbeitenden des DIFM ermöglichten.

Kherkheulidze Staatsbibliothek Universität Humboldt
Privat

Irine Kherkheulidze vor der Humboldt-Universität zu Berlin, eingerahmt von Bibliotheksimpressionen

Nach der Sammlung meiner Materialien in der Bibliothek konnte ich an einer begleiteten Wandertour zum Thema Drittes Reich und Zweiter Weltkrieg teilnehmen. In derselben Nacht hatte ich die Gelegenheit, der öffentlichen Beobachtung der Sterne und Planeten während der Langen Nacht der Astronomie auf dem Tempelhofer Feld beizuwohnen. Meine Lieblingsstadt Berlin sah mit den funkelnden Himmelskörpern über dem wundervollen Himmel der Stadt sogar noch bezaubernder aus. Die Veranstaltung war Teil des Kultursommerfestivals Berlin 2023 und wurde durch die Stiftung Planetarium Berlin sowohl von Amateur-Astronomen als auch von astronomischen Förderverbänden präsentiert.

Das Ende meines Stipendiums bedeutete nicht das Ende meiner Arbeit oder die Aufgabe meiner Forschung zu dem Thema. Ganz im Gegenteil: Ich arbeite weiterhin an der bedeutungsvollen Anwendung und Einbeziehung sämtlicher in der Bibliothek zusammengetragenen Forschungsquellen mittels empirischer Forschung. Diese Quellen dienen jetzt dem Verfassen eines wissenschaftlichen Beitrags (A.d.R.: Das Papier wurde nach dem Verfassen dieses Berichts fertiggestellt und veröffentlicht.) zum Thema sexuelle Gewalt, der voraussichtlich in einer der juristischen Fachzeitschriften veröffentlicht werden wird.

Ich möchte diese Gelegenheit gerne dazu nutzen, meiner Gastgeberin, Professor Dr. Carmen Thiele, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Sie half mir maßgeblich dabei, ständige Veranstaltungen und wissenschaftliche Diskussionen zu meinem Forschungsthema zu organisieren, und gab mir unersetzliche Ratschläge zu meinem Vorgehen. Dank ihrer Unterstützung fühlte ich mich während meiner Zeit an der Europa-Universität Viadrina fast wie zu Hause. Mir wurden ein universitätsinterner E-Mail Account und eine Schlüsselkarte für einen persönlichen Raum im Logenhaus in der Logenstraße 11, 15230 Frankfurt (Oder) zur Verfügung gestellt. Dieser Raum war Teil des Universitätscampus mit einem wunderschönen Garten draußen und einer gemütlichen Arbeitsumgebung im Inneren des Gebäudes.

Kherkheulidze Berlin Drittes Reich Tour
Privat

Die "Dritte Reich Tour" führt zu den schauplätzen der Vergangenheit

Meine Forschung an der Europa-Universität Viadrina mit ihren bedeutungsvollen Interviews mit Wissenschaftlern und Berufstätigen aus dem Gebiet des Strafrechts dient als wesentliche Ressource zum Verständnis der geänderten deutschen Gesetze zu sexuellem Missbrauch im Kontext der Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland. Gleichzeitig bietet sie auch wertvolle Einsichten für georgische Gesetzgeber, die, wenn auch verspätet, Änderungen des georgischen Strafrechts in Bezug auf sexuelle Gewaltverbrechen in Erwägung ziehen, in Einklang mit der Istanbul-Konvention und beruhend auf den Erfahrungen deutscher Wissenschaftler, Professoren, Rechtspraktiker und politischer Entscheidungsträger.

Die enge Zusammenarbeit mit meinen deutschen Kolleginnen und Kollegen, die auch nach dem Ende meines Forschungsaufenthalts noch andauert, wird gegenseitig begrüßt. Wir planen zukünftig Konferenzen zum Thema sexuelle Gewalt, an denen Professoren meiner Gasteinrichtung und Richter des Landgerichts zusammen mit georgischen Kolleginnen und Kollegen teilnehmen werden. Diese Zusammenarbeit veranschaulicht die fortschreitende Entwicklung unserer Partnerschaft, die mit meinem Forschungsaufenthalt ihren Anfang nahm, welcher dank der Unterstützung der DAAD-Stiftung und insbesondere meines Stipendien-Paten Wirklichkeit wurde, der eine treibende Rolle bei der Umsetzung meiner wissenschaftlichen Ziele spielte.

Kherkheulidze Logenstraße Und Astronomy
Privat

Vor dem Eingang des Logenhauses und die Weltkugel, fotografiert während der langen Nacht der Astronomie

Aus wissenschaftlicher Perspektive schätze ich die Großzügigkeit meines Stipendien-Paten und dessen Engagement für die Förderung der Forschung zu Geschlechterfragen sehr. Es ist sowohl eine Ehre als auch eine große Verantwortung, dass Menschen Vertrauen in meine wissenschaftlichen Fähigkeiten setzen. Deshalb nutze ich diese Gelegenheit, um der DAAD-Stiftung öffentlich meinen Dank dafür auszusprechen, dass sie mir die Möglichkeit gegeben hat, an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt in Deutschland an meinem Forschungsprojekt zu arbeiten.

Da ich aufgrund meiner aktiven Professur an der Juristischen Universität Kaukasus und der juristischen Fakultät der Staatlichen Iwane-Dschawachischwili-Universität Tiflis in Georgien nur während der vorlesungsfreien Zeit im Sommer verfügbar war, betrachtete ich es als besonders symbolträchtig, dass ich mit meinen deutschen Kolleginnen und Kollegen an zwei gegensätzlichen Veranstaltungen an der Universität teilnehmen konnte. Diese Veranstaltungen läuteten den Anfang und das Ende meines Stipendiums ein – Abschiedsfeiern nach dem Ende des Sommersemesters und Erstsemesterbegrüßungen für die Neuankömmlinge zu Beginn des Wintersemesters im September. In diesem fortlaufenden Bildungskreislauf arbeitete ich unermüdlich, angetrieben von immensem Enthusiasmus und tiefer Dankbarkeit, und hatte die Chance, das Beste aus zwei Welten zu erleben.

Stand: November 2023. Die englische Version ist das Original.