Annkathrin Sonntag

Privat

Toulouse bei Sonnenuntergang

„Zusammenfassend habe ich durch den Forschungsaufenthalt, gefördert durch das Prof. Bingel Stipendium der DAAD-Stiftung, sehr viel für mich persönlich, wie der eigenständige Umgang mit Herausforderungen, aber auch fachlich, besonders das Videotracking im größeren Maßstab, lernen können und bin durch den interkulturellen Austausch gewachsen.“

Wie lernen Hummeln die Höhe einer Futterquelle zu erkennen? In den vergangenen Jahrzehnten wurde das Thema Navigation hauptsächlich in der zweidimensionalen Ebene untersucht. Dank erschwinglicher technischer Ortungsgeräte kann die Frage, wie Tiere in ihrer Umwelt navigieren, nun auch in einer dritten Dimension verfolgt werden. Dies ist insbesondere auch bei fliegenden Tieren wie Hummeln von Bedeutung.

Hier verdeutlicht Annkathrin Sonntag die Ergebnisse Ihrer Forschung in Frankreich und geht auch auf Momente außerhalb der Universität Toulouse ein:

In meiner Doktorarbeit beschäftige ich mich mit dem Navigationsverhalten von Hummeln im dreidimensionalen Raum. Bisherige Forschungen haben sich viel mit der Navigation im zweidimensionalen Raum beschäftigt, dadurch weiß man bisher noch wenig darüber, wie Hummeln ihre Flughöhe nutzen. Speziell der visuelle Input ändert sich drastisch mit Änderung der Flughöhe und auch in Bezug auf die Anwendung von Drohnen könnte der Gebrauch sowie das Kombinieren von visuellem Input auf verschiedenen Höhen interessant sein. Das Prof. Bingel Stipendium ermöglichte mir zu untersuchen, wie die Hummeln die Höhe einer Futterquelle lernen und welche Informationen sie dafür benutzen. Ich konnte in einem engen Zeitrahmen vier Versuchsreihen von jeweils mehreren Wochen durchführen sowie die Auswertung dieser anstoßen.

Diese Versuche konnte ich in einem größeren Maßstab durchführen, als bisher da ich in Toulouse größere Räumlichkeiten als Flugarena nutzen konnte als in Bielefeld vorhanden sind. Außerdem konnte ich viel über das computer-gestützte Tracken von kleinen Objekten, wie Hummeln, in einem großen dreidimensionalen Raum lernen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen bieten die Möglichkeit, das Flugverhalten von Hummeln bei der Zielsuche einer Futterquelle besser zu verstehen. So konnte ich herausfinden, dass Hummeln nicht optimal eine (während des Tests nichtexistierende) Futterquelle suchen, dies steht im Kontrast zu Studien zum Suchverhalten im zweidimensionalen Raum (Landmarken und Futterquelle auf dem Boden stehend).

Eine Erklärung könnte sein, dass Blumen immer visuell sehr dominant sind und Hummeln deswegen keine unsichtbaren Futterquellen suchen müssen. Allerdings haben sie eindeutig dreidimensionale Landmarken, die um diese Futterquelle herumhingen, bei der Suche genutzt. Im Verlauf habe ich die Versuche so angepasst, dass ich mehrere, leere Futtermöglichkeiten angeboten habe und die Hummeln Landmöglichkeiten hatten. Hierbei konnte ich herausfinden, dass Hummeln unter bestimmten Möglichkeiten die Höhe einer künstlichen Futterquelle lernen können.

Sonntag Versuchsaufbau Mit Hummelm Am Zuckerwasserspender
Privat

Versuchsaufbau mit Hummeln am Zuckerwasserspender (blau)

Während meines Aufenthaltes konnte ich in einem Gemeinschaftsbüro meines Betreuers arbeiten, dies erleichterte den Kontakt zu den anderen Doktoranden sowie PostDocs. Leider wurde während meines Aufenthaltes noch viel im Homeoffice gearbeitet, so dass dieser Kontakt etwas eingeschränkt war. Aber es war trotzdem immer jemand ansprechbar und konnte mir bei Fragen oder Problemen weiterhelfen. So lernte ich schnell einige andere Doktoranden, Studenten und wissenschaftliche Ingenieure, auch über die Arbeitsgruppe hinaus, kennen und konnte bei ein paar gemeinsamen Bar Besuchen auch das ausgeprägte Nachtleben in Toulouse erleben. Auch das gelegentliche gemeinsame Mittagessen sowie „Cake-Mondays“, bei denen reihum eine*r der Doktorand*innen Kuchen mitgebracht hat, haben beim Kontakte knüpfen sehr geholfen.

Ich konnte einen Labor-Raum nutzen, den ich entsprechend für meine Versuche gestalten konnte. Hierbei wurde ich etwas überrascht welche Materialien ich aus Deutschland als selbstverständlich gegeben ansah, während sie in Toulouse nicht einfach Labormaterialien waren. Aber am Ende konnte ich alle notwendigen Materialien beschaffen oder mit etwas Kreativität andere Lösungen finden. Allerdings kam ich auch in den Genuss eines ständig zur Verfügung stehenden 3D-Druckers, und konnte eine ganz neue Flexibilität bei der Ausgestaltung von Versuchs-Setups kennen lernen.

Des Weiteren hatte ich großartige Unterstützung von drei Bachelor-Studierenden, die mit mir Projekte für ihr Studium gemacht haben. Die enge Zusammenarbeit und das Leiten unserer kleinen Projekt-Gruppe hat mir viel Freude bereitet und ich konnte viel zum eigenständigen Betreuen von Studierenden lernen.

Sonntag Bergdorf
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Ein Bergdorf vor den Pyrenäen

Während der Durchführung meiner Experimente stieß ich immer wieder auf Herausforderungen, mit denen ich nicht gerechnet hatte, wie das Beschaffen der Materialien, die Kommunikation mit Mitarbeitern aus der Verwaltung oder der Werkstatt des Institutes ausschließlich auf Französisch, unerwünschte Besucher der Experimente (Ameisen sind leider ein großes Problem im Gebäude) oder auch die zeitliche Planung bzw. Absprache der Raumnutzung. Aber im Großen und Gesamten bin ich froh, dadurch viel zum Umgang mit solchen Herausforderungen gelernt zu haben und am Ende souverän diese zu meistern. Außerdem konnte ich durch den Austausch auch meine Französischkenntnisse, vor allem das Verstehen der ineinander verschmelzenden Wörtern, erweitern.

Mit Besuchern aus Deutschland habe ich ein paar Ausflüge in die Umgebung wie eine Wanderung durch die Pyrenäen sowie einige kleinere Städte wie zum Beispiel die Stadt Albi oder Carcassonne unternehmen können. So konnte ich auch die umliegende Region besser kennenlernen. In Toulouse selbst habe ich sehr die Architektur der Innenstadt sowie die Fahrradwege entlang der Garonne oder der Kanäle genossen. Die Heimfahrt von der Uni entlang dem Canal-du-Midi war oft beim Entspannen nach einem langen Arbeitstag sehr erfrischend. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir auch der Weihnachtsmarkt, der sehr viel kitschiger und teilweise sehr klischeemäßig deutsch, aufgebaut war. Dort gab es sogar Brezeln, Spätzle und Glühwein zu kaufen.

In meiner WG habe ich mit einer Italienerin und einem Iraner zusammengelebt, und habe diesen interkulturellen Austausch sowie die unterschiedlichen Sichtweisen auf die für uns alle neue französische Kultur als sehr bereichernd empfunden.  Vom wissenschaftlichen Austausch in meiner Gast-Arbeitsgruppe hat meine Arbeit durch neue Perspektiven und Anregungen sehr profitiert und ich freue mich, den Kontakt zu meinem Betreuer aus Toulouse auch weiterhin fortführen zu können.

Stand: Februar 2024.