Kevin Kay
Privat
Kevin Kay beim Musizieren mit Freunden in Essen
„Meine Zeit in Berlin mit der Unterstützung des Respekt & Wertschätzung Stipendiums der DAAD-Stiftung war produktiv und bereichernd und half mir, mit mehr Weitblick über meinen weiteren Werdegang auf dem Gebiet der Musikkomposition nachzudenken.“
Der US-amerikanische Musiker Kevin Kay war während der Dauer seines Respekt & Wertschätzung Stipendiums, an der Berliner Akademie der Künste und forschte unter anderem zum Nutzen der die Mathematik beim Komponieren.
Seine Zeit in Deutschland, in der er u.a. auch in Bonn war, um dort auf Einladung der DAAD-Stiftung an einem sogenannten Orientierungsseminar für Stipendiaten teilzunehmen, schilder er wie folgt:
Die Arbeit an der Universität der Künste Berlin war großartig. Ich besuchte jede Woche ein Seminar bei Marc Sabat – einem Pionier der reinen Stimmung, auf welcher der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt – und wir vereinbarten zahlreiche Einzelsitzungen über das Semester hinweg. Bei diesen Sitzungen konzentrierten wir uns auf Zuhören, Wahrnehmung, Zeitlichkeit und die praktische Frage der Notation.
Links: Das Plakat zu Kevin Kays Uraufführung, Rechts: Kevin Kay in Straßburg
Es war das erste Mal während meiner akademischen Laufbahn, dass ich mich mit einem Experten über reine Stimmung unterhalten konnte. Meine vorherigen Professorinnen und Professoren wussten zwar genug über das Thema, um mich mit dem Konzept vertraut zu machen und bis zu einem gewissen Grad auf meine Arbeit einzugehen, aber den Großteil musste ich mir selbst beibringen.
Deshalb freute ich mich sehr, bei jemandem studieren zu können, der auf dieses Thema spezialisiert ist. Durch Marc Sabat lernte ich neue Konzepte in der Entwicklungsphase kennen, die sich als überaus nützlich für meine eigene Arbeit erwiesen. Vom größten Nutzen war für mich eine Reihe von mathematischen Gleichungen, mit der sich Akkorde nach ihrer Harmonizität (d. h. die Art und Weise, wie eine Ansammlung von Tönen miteinander verschmelzen) ordnen lassen.
Ich brachte diese neuen Techniken in ein umfangreiches Musikstück ein, an dem ich damals noch aktiv schrieb und das gegen Ende meines Forschungsaufenthalts uraufgeführt wurde. Ich hatte für dieses Stück vor meiner Ankunft in Berlin erhebliche Vorkompositionsarbeit geleistet und hatte vor, es während meines Studiums bei Marc Sabat fertigzustellen.
Die Premiere plante ich zusammen mit einem Dirigentenkollegen, Thibault Back de Surany, der ein Salzburger Ensemble namens ,The Van Swietens‘ dirigiert, und das Konzert wurde im ,Shakespeare Kunst & Kulinarisches‘ abgehalten, wo das Ensemble bereits zuvor gespielt hatte. Bei diesem Musikstück, das den Titel Dualities and Symmetries trägt, handelt es sich um meine Doktorarbeit für meine Heimatuniversität, die Stony Brook University in New York, und vor Kurzem im Mai habe ich sie erfolgreich verteidigt. Die Premiere von Dualities and Symmetries kann angesehen werden unter: https://youtu.be/ecebDk6c1WI
In Berlin ließen sich einige Sehenswürdigkeiten bestaunen
Während meiner Zeit in Berlin wurde mir klar, dass ich dort gerne auch in Zukunft weiterhin arbeiten möchte, denn in dieser Stadt herrscht eine Stimmung der Resonanz und Gemeinschaft in der Kunstszene und der Zugang zu Förderprogrammen ermöglicht es, eigene Projekte zu verwirklichen. Ich habe viele Freunde und Kollegen gefunden und angefangen, mir hier ein Zuhause aufzubauen. Ich schreibe das hier aus den USA, da ich für die Verteidigung meiner Arbeit und die Abschlussfeiern hierher zurück musste.
Mitte Juni werde ich aber nach Berlin zurückkehren und mich für ein Freiberuflervisum bewerben. Nach meiner Rückkehr werde ich mich auf die Planung eines Konzerts später im Herbst konzentrieren, bei dem ich Klarinette für das Ensemble ,Red Panel‘ spielen werde, dem ich inzwischen beigetreten bin. Wir stehen noch am Anfang und werden noch diesen Sommer einen Antrag auf Förderung stellen. Ein Highlight meines Aufenthalts in Deutschland war es, mit ,Red Panel‘ in Essen zu spielen, wo ein Mitglied unseres Ensembles wohnt.
Zum Hintergrund: Letzten Sommer begegnete ich drei Komponisten bzw. Musikern in einer Musikhochschule in Graz (genau genommen traf ich zwei von ihnen kurz zuvor in einer Hochschule im Süden Frankreichs) und wir alle teilten gewisse musikalische Ästhetiken. Einer von ihnen ist ein Gründungsmitglied von ,Red Panel‘ und er wollte der Gruppe durch uns neues Leben einhauchen. Das Stück, das ich für unsere Darbietung in Essen komponiert habe, ist zu hören unter: https://soundcloud.com/kmkay/currents-and-wires
Ich mag Berlin wirklich sehr. Mir gefällt, wie international die Stadt ist – meine vorherige Heimatstadt New York ist zwar ebenfalls ziemlich international, aber es fehlt ihr an Menschen aus Europa. Glücklicherweise war es ziemlich einfach, dort neue Freunde zu finden, denn der ,Red Panel‘-Gründer, den ich vorhin erwähnte, lebt in Berlin und stellte mir seinen ganzen Freundeskreis vor. Da nahezu jeder in Berlin Englisch spricht, besteht keine große Motivation, Deutsch zu lernen, aber ich werde weiter üben. Was die Berliner Lebensart angeht, finde ich es gut, dass ich inzwischen mehr zu Fuß unterwegs bin und gesünder esse.
In New York City bewegte ich mich am Ende nur noch in einem sehr kleinen Umkreis, aber in Berlin laufe ich ziemlich viel und weit, da ich es spannend finde, die Stadt um mich herum zu erkunden. Ich habe den Eindruck, dass das Essen dort qualitativ besser ist als in den USA (möglicherweise gibt es dort strengere Richtlinien, doch dazu habe ich zugegebenermaßen nicht recherchiert und kann deshalb nur mutmaßen). Von der Jagd nach neuen Lieblingscafés in meinem Ortsteil Friedrichshain bis hin zum berühmten Berliner Nachtleben strotzt diese Stadt nur so vor Leben und hat so viel zu bieten.
Ich freue mich schon darauf, meine Reise in Berlin fortzusetzen. Die experimentelle Szene in der klassischen Musik ist der in New York City ebenbürtig (vielleicht sogar noch aktiver), die Lebenserhaltungskosten sind in Berlin aber nur halb so hoch. Als ich erfuhr, dass ich für das Respekt & Wertschätzung Stipendium ausgewählt wurde, wusste ich, dass ich versuchen wollen würde, für einen längeren Zeitraum in Berlin zu leben, und diese Hypothese hat sich als wahr erwiesen. Mein aktueller Plan ist es, einfach zu versuchen, als Künstler zu leben, freiberuflich im facettenreichen Feld der klassischen Musik meinen Lebensunterhalt zu verdienen, wobei es mein Hauptziel ist, einfach nur zu komponieren.
Stand: November 2024. Die englische Version ist das Original.